«Vier Tage des Verrats» - Haft für AfD-nahen Offizier gefordert Von Frank Christiansen, dpa

Ein Hauptmann der Bundeswehr bietet Russland aus eigenem Antrieb
militärische Geheimnisse an. Vor Gericht gesteht er «den größten
Bockmist seines Lebens».

Düsseldorf (dpa) - Die Bundesanwaltschaft hat dreieinhalb Jahre Haft
für einen Bundeswehroffizier gefordert, der gestanden hat, sich
Russland als Spion angedient zu haben. Etwa im gleichen Zeitraum war
der 54-Jährige in die AfD eingetreten. «Die Anklage hat sich in
vollem Umfang bestätigt», sagte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft
am Dienstag am Düsseldorfer Oberlandesgericht. Der Hauptmann habe
sich Russland «fast penetrant angedient», um den russischen
Streitkräften einen Vorteil zu verschaffen. Dabei habe er militärisch
sensible Informationen verraten. 

Erst habe er einen Umschlag mit Dienstgeheimnissen in den Briefkasten
des russischen Konsulats in Bonn geworfen. Als dann keine Reaktion
erfolgte, habe er sich als Michael Müller per E-Mail an das Konsulat
und dann an die russische Botschaft gewandt. 

Sein Verrat sei geeignet gewesen, die deutsche Unterstützung für die
Ukraine zu konterkarieren, denn die Systeme, die er betreut habe,
seien auch an die Ukraine geliefert worden. «Darum ging es ihm auch»,
so die Bundesanwaltschaft. Dabei habe der Soldat gewusst, dass der
Verrat an einen militärischen Aggressor Menschenleben gefährde.

Bei seinem weitgehenden Geständnis habe der Offizier lediglich die
Übergabe einer CD bestritten, auf die er zuvor vertrauliche Dateien
gebrannt habe. Er sei aber dabei fotografiert worden, wie er den
Umschlag in den Briefkasten des Konsulats geworfen habe und dieser
Umschlag sei gut gefüllt gewesen - nicht nur mit ein paar Seiten
Papier, wie der Angeklagte behauptet habe.  

Zudem habe er in seiner späteren E-Mail die Werthaltigkeit des von
ihm gelieferten Materials betont. «Die übermittelten Unterlagen
dienten zum Anfüttern. Sie sollten Appetit auf mehr machen», so der
Vertreter der Bundesanwaltschaft. Der Hauptmann habe sich eines
besonders schweren Falls der Agententätigkeit schuldig gemacht. «Das
alles für einen Staat, der sich als rücksichtsloser Aggressor
erwiesen hat.» 

Von einer Affekttat könne keine Rede sein. Der Angeklagte könne sich
auch nicht auf sein Burnout-Syndrom berufen. Er habe über mehrere
Wochen ein äußerst planvolles Verhalten an den Tag gelegt. Seine
Versuche, Kontakt mit dem russischen Geheimdienst aufzunehmen, hätten
«trotz aller Penetranz» nicht gefruchtet. 

«Er wartete sehnsüchtig darauf, angesprochen zu werden und liefern zu
können.» Seine Festnahme habe Schlimmeres verhindert, «denn
eigentlich hatte er Größeres vor». «Es sollte nur ein Appetithappen

für das sein, was kommen sollte.» Das habe er selbst mit einem Satz
der Polizei nach seiner Festnahme verraten: «Was da noch alles hätte
passieren können.» Hätte der Hauptmann Staatsgeheimnisse verraten,
würde ihm jetzt sogar lebenslange Haft drohen. So liege der
Strafrahmen zwischen einem und zehn Jahren.

Verteidiger Marvin Schroth stellte keinen konkreten Strafantrag. Sein
Mandant habe in vier Tagen alles in Schutt und Asche gelegt, was er
zuvor in Jahren als pflichtbewusster Berufssoldat aufgebaut habe.
«Vier Tage des Verrats, an denen er rote Linien überschritten hat.
Vier Tage des völligen Versagens.»

«Was um Himmels Willen hat ihn dazu veranlasst? Wo zum Teufel ist
Herr H. falsch abgebogen?», fragte der Anwalt. Er sei vier Jahre lang
permanent überarbeitet gewesen und habe sich dennoch nicht behandeln
lassen. Gesundheitlich bereits angeschlagen habe er sich wegen
Schlafstörungen in einer Abwärtsspirale befunden. 

In einer fordernden beruflichen Zeit habe sich sein Medienkonsum
allmählich auf Telegram und Tiktok verlagert. Dort sei er Fake-News
und aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten aufgesessen. So habe
Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) einen Tag vor dem Überfall auf die
Ukraine davor gewarnt, dass sehr viele Menschen sterben werden. Bei
dem Angeklagten sei aber genau das Gegenteil von dem angekommen, was
Habeck gesagt habe. Der Realität sei er zeitweise deutlich entrückt
gewesen. Die Strafforderung von dreieinhalb Jahren halte er für
deutlich überzogen, sagte der Verteidiger.

«Dann hat er eine einer fixen Idee freien Lauf gegeben und sein
bisheriges Leben aus den Angeln gehoben.» Sein Eingeständnis seiner
eigenen Überforderung sei zu spät gekommen. «Er hat sich schließlic
h
Hilfe gesucht, aber drei Wochen zu spät.» Der Hauptmann hatte
behauptet, die Angst vor einer nuklearen Eskalation des
Ukraine-Kriegs habe ihn getrieben. 

Das Verhalten des Hauptmanns sei mehr als naiv gewesen. So habe er
sich beim Einwurf der Unterlagen in den Briefkasten des Konsulats
nicht einmal verkleidet. Die Strafforderung von dreieinhalb Jahren
der Bundesanwaltschaft hatte er für deutlich überzogen. Am Rande der
Verhandlung sagte der Verteidiger auf dpa-Anfrage, sein Mandant sei
inzwischen aus der AfD ausgetreten.

Der Angeklagte sagte in seinem Schlusswort, das letzte Jahr sei für
ihn ein Albtraum gewesen, den er gerne löschen würde. «Es ist der
größte Bockmist, den ich in meinem Leben gebaut habe.» Was der Satz
«Angst essen Seele auf» bedeutet, habe er am eigenen Leib erfahren
müssen. «Ich hätte viel früher zum Arzt müssen.» Eine Depressio
n
durch chronische Überarbeitung habe sein rationales Denken
beeinträchtigt. 

Beamte des Bundeskriminalamtes hatten den Hauptmann am 9. August in
Koblenz festgenommen. Seitdem ist er in Untersuchungshaft. Das
Gericht will das Urteil am 27. Mai verkünden.